Investitionsplanung bei Unternehmen vs. öffentliche Hand
Warum laufen bei großen öffentlichen Projekten die Kosten so oft aus dem Ruder und bei privaten Unternehmen seltener?

Investitionsplanung bei öffentlichen Großprojekten
Das Schauspielhaus Köln, das eigentlich 2015 neu eröffnet werden sollte, war mit 250 Mio. € Umbaukosten geplant. Aktuell liegen die Kosten bei ca. 1,4 Mrd. € (inkl. Finanzierungskosten, Interimsspielstätten). Geplante Eröffnung ist der 24.09.2026.
Der Flughafen BER, der eigentlich 2011 eröffnet werden sollte, war mit ca. 2 Mrd. € Baukosten geplant. Die tatsächlichen Kosten lagen bei ca. 7 Mrd. € (inklusive Zinsen, Nachlaufkosten etc.). Die Eröffnung war 2020.
Die Elbphilharmonie, die eigentlich 2010 eröffnet werden sollte, war mit ca. 241 Mio. € Baukosten geplant. Die tatsächlichen Kosten lagen bei ca. 866 Mio € Die Eröffnung war 2017.
Bei meiner Recherche bzgl. der Baukosten am Flughafen BER habe ich ChatGPT gefragt und aus Versehen "BIER" statt "BER" eingegeben. ChatGPT sagte: "Ja, BIER hätte als Name wirklich besser gepasst, weil nüchtern war das alles kaum zu ertragen."
Doch woher kommen diese immensen Planungsfehler? Liegt es an den Architekten, Betriebswirten oder an den Politikern? Was denkt ihr?
Vergleicht man diese Zahlen mit privatwirtschaflichen Großprojekten, kann es an den Architekten und Betriebswirten kaum liegen.
Die Gigafactory von TESLA war mit ca. 4 Mrd. € Baukosten geplant. Die tatsächlichen Kosten lagen bei ca. 5,5 Mrd. USD. Der geplante Produktionsstart war Juli 2021, der tatsächliche März 2022. Trotz vieler Bauvorschriften, wurde der geplante Start fast eingehalten.
Welche Argumente kann man gelten lassen, welche nicht und was können wir dagegen tun?
1. Unterschätzung der Komplexität
Großprojekte im öffentlichen Bereich sind technisch, organisatorisch und rechtlich sehr komplex.
Beispiel: Bei der Elbphilharmonie wurde der ursprüngliche Entwurf mehrfach verändert – neue architektonische und akustische Anforderungen führten zu erheblichen Nachplanungen und Verzögerungen, was die Kosten explodieren ließ.
Folge: Die anfängliche Planung berücksichtigt oft nicht alle technischen und planerischen Risiken.
2. Politische Einflussnahme und „Schönrechnerei“
Vor allem bei öffentlich finanzierten Projekten besteht ein politischer Druck, Projekte genehmigungsfähig zu machen.
Oft werden die Kosten bewusst zu niedrig angesetzt, um die Zustimmung von Politik, Öffentlichkeit oder Parlament zu erhalten („politisch verkaufbarer Preis“).
3. Unklare Anforderungen und häufige Änderungen
In der frühen Planungsphase sind die Projektziele oft nicht eindeutig definiert – etwa beim Denkmalschutz, der Ausstattung, der Technik oder der Architektur.
Sobald das Projekt läuft, werden Anforderungen nachträglich geändert, was Planungen obsolet macht.
Jede Änderung zieht neue Planungs- und Baukosten nach sich (sog. „Nachträge“).
4. Schlechte Abstimmung zwischen Beteiligten
Großprojekte binden viele Akteure:
• Auftraggeber (Stadt, Land, Bund),
• Architekten,
• Ingenieure,
• Bauunternehmen,
• Fachplaner (z. B. für Brandschutz, Statik, Akustik).
Wenn Kommunikation und Koordination zwischen diesen Parteien nicht optimal laufen, entstehen Fehler, Doppelarbeiten und Verzögerungen – alles kostentreibend.
Beim BER z. B. war das Brandschutzkonzept ein Hauptproblem, das mehrfach überarbeitet werden musste.
5. Lange Planungs- und Bauzeiten
Öffentliche Projekte ziehen sich oft über viele Jahre.
Während dieser Zeit steigen Baupreise, Materialkosten und Löhne erheblich.
Die ursprüngliche Kostenplanung basiert aber häufig auf veralteten Preisständen.
6. Fehlendes professionelles Projektmanagement
Im Vergleich zur Privatwirtschaft sind öffentliche Bauherren oft nicht auf Bauprojekte spezialisiert.
Es fehlt an:
• erfahrenem Projektcontrolling,
• Risikomanagement,
• klarer Verantwortungsstruktur.
7. Optimismus-Bias & strategische Fehlplanung
Psychologisch gesehen neigen Planer und Entscheidungsträger zu übermäßigem Optimismus:
– „Das schaffen wir schon“,
– „Die Probleme werden sich lösen“.
Diese Fehleinschätzung von Risiken (Optimismus-Bias) ist gut dokumentiert – auch in Studien zu Megaprojekten (vgl. Bent Flyvbjerg, Oxford University).
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